Der Artenreichtum der Sandhausener Dünen
In der Monographie über die Sandhausener Dünen werden die
in den frühen 80er Jahren des 20. Jahrhunderts
dort beobachteten Arten detailliert aufgelistet. Dabei
sind einige Gruppen unvollständig, andere konnten
überhaupt
nicht näher untersucht werden (es fehlen z.B
viele Fliegengattungen,
Pflanzenwespen, Netzflügler, Gallwepen und Gallmücken).
Die Zahlen sind sehr beeindruckend, denn obwohl es sich
um sehr kleine Flächen handelt, ist die Artenzahl
ausgesprochen hoch - und war möglicherweise noch viel
größer,
als die freien Sandflächen noch ausgedehnter waren.
Im Einzelnen:
24 Moose
30 Flechten
285 Farn- und Blütenpflanzen
695 Pilze
229 Wanzen
154 Stechimmen
217 Großschmetterlinge
15 Heuschrecken
84 Raupenfliegen
26 Ameisen
571 Käfer
192 Spinnen
Hinzu kommen
mindestens 54 Vogelarten
Östliche Heideschnecke, Weiße Turmschnecke,
Weinbergschnecke, Feldhase, Wildkaninchen, Zauneidechse,
Ringelnatter
also mindestens 2.583 Arten,
die auf der Düne leben oder hier ihre Nahrung suchen.
Naturschutz bedeutet, diese Vielfalt vor einer anderen
Art, nämlich dem Menschen, zu schützen.
Intensiv genutzte landwirtschaftliche Flächen in der
Umgebung der Dünen
weisen oft nur wenige Dutzend Arten aus den obigen Gruppen
auf.
Unterschiede zwischen verschiedenen
Sandrasen-Gebieten
Vergleicht man die eher
kleinflächigen Sandrasen in Baden-Württemberg mit den
Flächen auf der Viernheimer Heide oder dem Großen Sand
in Mainz, fallen einem schnell Unterschiede in der
Artzusammensetzung auf. Die Zahl der kalkhaltigen
Bereiche hat sicher schon einen Einfluß auf die
Pflanzengesellschaften. Manche Arten kommen nur in
bestimmenten Gebieten vor. Hier einige Beispiele:
Die Sand-Lotwurz war lange nur
auf dem Mainzer Sand bekannt. Zwischenzeitlich wuchs
auch eine - mit Sicherheit angesalbte - Lotwurz-Art
auf dem Pferdstrieb in Sandhausen; dabei handelt es
sich aber wahrscheinlich um die Alpenart Schweiz-Lotwurz
(Onosma helvetica). Die Naturschutzbehörde ließ die nicht
urwüchsige Pflanze 2016 entfernen.
Eine große Rarität des Mainzer
Sandes ist das Frühlings-Adonisröschen - zudem auch
noch eine sehr auffällige Art.
Orchideen kommen auf dem Mainzer
Sand reichlich vor, während sie in Sandhausen
praktisch fehlen: es sind in Mainz nachgewiesen:
- Rotes Waldvögelein
- Schwertblättriges Waldvögelein
- Rotbraune Stendelwurz
- Weiße Waldhyazinthe
- Bocks-Riemenzunge
In Sandhausen, speziell
im Gebiet Zugmantel-Bandholz, kommt das Rote-Waldvögelein
vor. 2016 wurden hier auch das Helm-Knabenkraut,
die
Pyramiden-Hundswurz und die Bienen-Ragwurz
gefunden. Und seit 2014 wächst auf den Sandhausener
Dünen die Bocks-Riemenzunge, wobei es sich um
eine natürliche Ansiedlung der in Ausdehnung
begriffenen Orchidee handeln dürfte.
Speziell in einem der Sandhausener
NSGs kommen zudem Fuchs-Fingerwurz, Fleischfarbene
Fingerwurz und Sumpf-Stendelwurz
vor.
Weitere nur in Mainz
vorkommende Pflanzen (Auswahl):
- Gewöhnliche Küchenschelle
- Großes Windröschen
- Blutroter Storchschnabel
- Schopfiges Kreuzblümchen
- Violette Schwarzwurzel
- Gelbe Sommerwurz
Die Thymian-Sommerwurz
scheint hingegen in Mainz zu fehlen. Insgesamt trägt
der Mainzer Sand damit auch Anzeichen eines
Halbtrockenrasens.
Auf den Sandrasen im Gebiet
Hirschacker-Dossenwald findet man auch einige
Besonderheiten, die man in Sandhausen vergeblich
sucht.
- Haar-Pfriemengras
- Kriechende Hauhechel
- Trauben-Gamander
- Ähriger Blauweiderich
- Gewöhnlicher Teufelsabbiß
Weiterhin sind in Sandhausen
auch schon sehr typische Sandrasen-Arten vor langer
Zeit verschwunden, die man anderswo noch finden
kann. Das Berg-Sandglöckchen (Jasione montana)
oder die Sand-Grasnelke (Armeria elongata)
sind Beispiele für solche Arten.
Besonderheiten gibt es auch bei
den Tieren, so kann man im Hirschacker wie auch auf
der Viernheimer Heide z.B. die Italienische
Schönschrecke und die Grüne Strandschrecke
finden, die in Sandhausen schon lange nicht mehr
vorkommen.
Warum ist
Biodoversität für den Menschen von Interesse?
Man kann sich fragen, warum die Artenvielfalt von
Bedeutung ist, und welche Relevanz sie für den
Menschen hat. Unsere belebte Umwelt wird von den
meisten Zeitgenossen einfach als gegeben
hingenommen, manchmal sogar als lästig empfunden:
Pflanzen wachsen wo and wie sie wollen, und es
bedarf
des Eingriffs durch den Menschen, um "Ordnung" zu
schaffen. Schließlich gib es ja auch "Schädlinge". -
Sehr vielsagend sind Internet-Suchen zu
bestimmten Arten, die einen als erstes zum Bekämpfen
derselben führen: wie werde ich Grabwespen los,
oder: wie bekämpfe ich Wildbienen?
Erschreckend, wie wenig Bewußtsein vorhanden ist, wo
doch jeder in unserem Schulsystem durch einen
Biologie-Unterricht geht und ein paar grund-
legende Dinge gelernt haben dürfte.
Tatsache ist, dass dieser Planet durch die Vielfalt
des Lebens einzigartig ist. Und Tatsache ist ebenso,
dass diese Vielfalt durch die Aktivitäten des
Menschen ernsthaft bedroht ist. Nicht nur in den
Tropen, nicht nur in Afrika.
Biologische Vielfalt sollte den Menschen mindestens
ebenso viel wert sein wie die kulturellen
Errungenschaft der eigenen Art. Das Museen, Theater,
Sammlungen, Kulturgüter, architektonische
Besonderheiten einen Wert an sich darstellen, wird
von wenigen angezweifelt.
Was also bringt die Artenvielfalt?
- Artenreiche Ökosyteme sind
insgesamt stabiler - das hat einen direkten
Einfluß auf den Menschen (angefangen bei
Sauberkeit von Luft, Wasser und Boden, bis hin zur
Produktion von Sauerstoff, usw.).
- Wir sind Teil der Ökosysteme
und wir sind für unsere Ernährung auf
Artenvielfalt angewiesen.
- Intakte Artenvielfalt hält
für den Menschen wichtige Naturstoffe und
Wirkstoffe bereit - noch längst nicht alle sind
entdeckt.
- Die Natur liefert Anregungen
für technische Lösungen.
- Empirische Daten belegen,
dass die Anzahl der Krankheitserreger mit dem
Artenschwund steigt; insbesondere steigt das
Risiko, dass ein Krankheitserreger Artgrenzen
überwindet - die Corona-Pandemie ist ein
eindringliches Beispiel dafür. Pandemien werden
häufiger, und das hat sicher damit zu tun, wie der
Mensch mit Lebensraum und Artenvielfalt umgeht.
Es ist auch nicht ganz unwichtig,
die großen Zusammenhänge zu sehen. Die großen
Wirbeltiere auf diesem Planeten existieren nur, weil
es in ausreichender
Menge pflanzfliche Nahrung gibt. Höhere Pflanzen haben
sich aber in enger Zusammenarbeit mit Insekten erst
entwickeln können. Die gerne nur als
lästiges Ungeziefer angesehen Insekten, insbesondere
Wildbienen, Fliegen aller Art, Schmetterlinge und
Käfer sind unabdingbar für die
Stabilität von Ökosystemen. Für den Prozess der
Bodenbildung sind sogenannte Invertebraten
(Nicht-Wirbeltiere) von herausragender Bedeutung:
Dazu zählen Würmer, verschiedene Kleinorganismen und
die Larven unzähliger Insekten.
Insekten bilden ausserdem die Nahrung für eine
Vielzahl anderer Tiere, und am Ende der Nahrungskette
steht neben Vögeln
und Säugern natürlich der Mensch.
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